Fleisch unterm Mikroskop


Wenn wir ein Stück gekochtes Fleisch auseinander ziehen, sehen wir mit bloßem Auge eine interessante Bündel-Struktur des Fleisches mit den Fleischfasern und den Fasern des Bindegewebes. Die Fleischfasern mit etwa 2 mm Durchmesser sind nicht die Muskelfasern, denn diese sind nur etwa 0,08 mm dick, d. h. 80 µm.


Fleisch ist biologisch betrachtet quergestreifte Skelettmuskulatur. Am frischen Fleisch bzw. Muskel sind die Fleischfasern in der Draufsicht ebenfalls gut zu sehen. Dieses Bild wird als Körnung des Fleisches bezeichnet. Eine feine Körnung war lange Zeit ein Qualitätskriterium.


Fleischfasern sind Muskelfaserbündel. Die Bündelstruktur des Muskels ergibt sich aus einem Netzwerk aus Bindegewebe, dass den ganzen Muskel umhüllt und durchzieht (hier blau gefärbt). Es dient der Kraftübertragung vom Muskel zum Knochen. Im Bindegewebe sind auch die größeren Blutgefäße und das intramuskuläre Fett eingebettet (im Bild weiß). Anilinblau-Orange-G-Färbung, Hier finden Sie die Arbeitsvorschrift...


Die Muskelfasern sind keine Zellen im herkömmlichen Sinne, sondern ein Synzytium, d. h. eine aus einer Zelle hervorgegangene, vielkernige Zytoplasma-Masse. Die Muskelfasern sind etwa 50-100 µm dick und können mehrere Zentimeter lang sein. Im Bild sind sie aus dem Bündelverband heraus präpariert und kontrahiert, d. h. sie haben sich wie eine Ziehharmonika zusammengezogen. Die Kontraktion und die Konsistenz der natürlichen Muskelfasern macht eine morphometrische Untersuchung unmöglich. Deshalb haben wir die Muskelfasern immer im histologischen Querschnitts-Präparat untersucht.
 

Wenn wir weiter in den Muskel hinein schauen, sehen wir im mikroskopischen Querschnitt die Hauptbestandteile des Muskels, die Muskelfasern (Eosinfärbung). Damit diese arbeiten können, ist eine gute Blutversorgung bis zur einzelnen Faser notwendig. Diese Blutkapillaren sind nicht viel größer als die Blutkörperchen, etwa 10 µm (10 tausendstel Millimeter). Am oberen Bildrand sehr schön im Längsverlauf zu sehen.


Ein sehr ähnliches Bild, doch hier sind zusätzlich zu den Muskelfasern die Zellkerne gefärbt (Hämalaun-Eosin-Färbung, kurz HE). Hier finden Sie die Arbeitsvorschrift...
Zellkerne von Muskelfasern liegen immer am Rand der Zelle, außer bei embryonalen Muskelfasern.


Eine etwa 1000-fache Vergrößerung zeigt, dass eine Muskelfaser aus vielen Hundert Myofibrillen zusammengesetzt ist. Die Myofibrillen zeigen eine charakteristische Querstreifung, die dem Skelettmuskelgewebe den Namen quergestreiftes Muskelgewebe gegeben hat. Sie sind die eigentlichen Motoren der Kontraktion.


Muskelfasertypen

Im Querschnitt des Muskelgewebes findet man verschiedene Muskelfasertypen. Je nach Aufgabe des Muskels sind verschiedene Anteile von unterschiedlichen Muskelfasertypen im Muskel vorhanden. Die Muskelfasertypen werden auf Grund ihrer Stoffwechseleigenschaften als glykolytisch oder oxidativ, auf Grund ihrer Kontraktionseigenschaftten als langsam kontrahierend und ausdauernd oder schnell kontrahierend und schnell ermüdend unterschieden. Zwischen Beiden gibt es eine Zwischenstufe, die intermediären Muskelfasern. Auf Grund ihres Hämoglobin-Gehaltes hat man sie auch als weiße und rote Muskelfasern bezeichnet. Ihre Eigenschaften lassen sich mit entsprechenden histochemischen Reaktionen nachweisen. In der Medizin werden die Muskelfasertypen mit IIB, IIA und I bezeichnet.
Die Fasertypen haben uns in Bezug auf die muskelbiologischen Grundlagen der Fleischqualität sehr lange beschäftigt.


Der Muskel besteht zu etwa 90 % aus Muskelfasern. Bei Rind und Schwein sind sie schon seit der Myogenese nestartig in den Bündeln verteilt, beim Menschen eher schachbrettartig.


Da die oxidative Enzymaktivität hauptsächlich in den Mitochondrien lokalisiert ist, zeigt die Mitochondriendichte den Fasertyp an. Dunkle Fasern sind oxidativ und helle Fasern glykolytisch.(Schwein, NADH-TR-oder Diaphorase-Reaktion). Hier finden Sie die Arbeitsvorschrift...


Zur Muskelfasertypisierung beim Rind fand ich die  Actomyosin Ca2+ Adenosintriphosphatase-Reaktion bei alkalischer Präinkubation (pH 10,4) besser geeignet. Die anschließende Gegenfärbung mit Azur II erhöhte die Sichtbarkeit der Fasertypen.  Die Typ IIB-Fasern sind dunkelblau, die Typ IIA-Fasern hellblau und die Typ I-Fasern fast weiß gefärbt. Hier finden Sie die Arbeitsvorschrift...


Neben den 3 gezeigten Muskelfasertypen gibt es noch zahlreiche andere Faserbilder. Bereits in meiner Dissertation, 1974, habe ich diese Bilder von den sogenannten Riesenfasern gezeigt. Sie kommen hauptsächlich im Muskel hochgezüchteter Schweinerassen vor und sind ein Grund für die schlechte Fleischqualität.


Der selbe Muskel im Längsschnitt. Man kann die kontrahierten und gerissenen Fasern sehr gut erkennen. In der Mitte sind einzelne Fettzellen zu sehen.


Bei einigen Schweinen fanden wir fast schwarze, winklige Muskelfasern, die atrophiert zu sein scheinen und zwischen den intakten Muskelfasern zusammen gepresst sind. (NADH-TR)


In diesem Bild sind Vorstufen der angulären (winkligen) Fasern zu sehen.


Absterbende (nekrotische) Muskelfasern sind recht gut daran zu erkennen, dass zahlreiche Phagozyten (Fresszellen) die Überreste der zerstörten Muskelfasern beseitigen.